BWL-Studium
Ich sitze in der Vorlesung zum Thema "Grenznutzen" und starre Löcher in die Luft.
Ich lese Worte, die ich noch nie zuvor gehört habe, solche wie "Hypothese", "Axiom", "Cash-Flow", "Bottom-up" und "Break-even" und kaufe mir ein Fremdwörterbuch.
Ich lerne den Unterschied kennen zwischen einer UND und einer ODER Verknüpfung und frage mich, wozu das gut ist.
Ich schreibe (mit zwei Kommilitoninnen) eine Arbeit über intrinsische und extrinsische Motivation - und habe keine.
Das Zeug interessiert mich einfach nicht.
Der Zug geht in Richtung Wirtschaft - ob ich will oder nicht
Ich bin ein braves Mädchen. Obwohl ich Psychologin oder Englisch- und Französischlehrerin werden wollte, habe ich dem Wunsch meines schwäbischen Vaters folgend eine Ausbildung bei der IBM gemacht Ganz wichtiges Unternehmen in Stuttgart. Als Industriekauffrau. Großrechner, Plattenstapel, Schreib-Leseköpfe - es gibt wenig, was mich genauso langweilt. Aber ich war fleißig und habe einen guten Abschluss gemacht.
Folgerichtig habe ich danach Wirtschaft studiert. Der Teil, der mit Menschen zu tun hat, Personalwirtschaft, interessierte mich. Der Rest nicht. Ein Leben als Managerin (auch Vaters Wunsch) konnte ich mir absolut nicht vorstellen. Doch es kam unaufhaltsam auf mich zu.
Mein Leben dümpelte vor sich hin. Ich studierte weiter BWL und vermisste die Lebendigkeit. Mochte die aalglatten Leute nicht. Die mit Papas Porsche vorfuhren.
Ein glücklicher Zufall? Oder Schicksal?
Eines Tages kam mein Kumpelfreund Alpi auf mich zu:
"Hast du Lust 50 DM die Stunde zu verdienen?"
Na klar hatte ich Lust - was soll ich tun? Doch nichts Unmoralisches?
"Du müsstest Bürowirtschaft unterrichten. Ich bin auch da, am BBZ, und unterrichte Absatzwirtschaft."
"Was is'n Bürowirtschaft?"
"Na, sowas mit Ordnern und Stiften. Das kann jeder."
"Mit Ordnern und Stiften? Stimmt, das kann ich."
Bewerbung abgeschickt, Vorstellungsgespräch vereinbart.
"Was wollen Sie verdienen?"
"50 DM die Stunde."
"Okay, holen Sie sich draußen den Lehrplan ab, am Montag fangen Sie an."
Dann war ich Lehrerin. Für Bürowirtschaft. Mit Ordnern und Stiften. Und lateralen Hängeregistraturen. Und Zickzack- und Wickelfalz. Und dem wirtschaftlichen Prinzip.
Das Leben kommt zurück!
Vom ersten Tag an dem ich die Klasse betrat - Umschüler/innen aus der ehemaligen DDR - wusste ich, dass ich glücklich werde als Lehrerin. Das Leben wurde wieder bunt. Ich liebte das Unterrichten, die Beziehung zu den Schülern/innen. Ich mochte sogar die Themen. Manche zumindest.
An diesem Punkt stand für mich fest: Egal, was mein Vater sagt, ich werde Lehrerin!
Und dann kam das Ref ...
Wie es mit mir weiterging, als ich dann nach dem Studium ins Ref kam, davon schreibe ich vielleicht beim nächsten Mal.
Wie seid ihr zu eurem Beruf gekommen?
Herzliche Grüße
eure Ute
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