Ute, am Donnerstag ist dein letzter Tag mit der Klasse!
Wenn man mit einer Klasse drei Jahre jede Woche zusammen ist - selbst wenn es nur die Berufsschule ist und die Zeit auf zwei Tage pro Woche begrenzt - dann finde ich es wichtig, nicht nur am Ende aus der Tür zu gehen, sondern ein kleines Abschiedsritual zu praktizieren. Zumindest wenn es eine nette Klasse war :-).
Was haben wir gemeinsam erlebt?
Normalerweise hätte ich ein Thema aus der Unterstufe aufgegriffen, als wir alle zusammen Lions Quest gemacht haben - darüber habe ich ja schon öfters berichtet. Lions Quest ist ein Life-Skills und Präventionsprogramm für junge Menschen, das bei uns in der Version für die Sek II "Erwachsen Handeln" durchgeführt wird.
Nun ist es aber so, dass viele Lions Quest Übungen etwas mit "Näherkommen" zu tun haben. Oftmals werden kooperative Formen genutzt, um Themen auch erlebbar zu machen und besprechen zu können. Alles gerade nicht erlaubt :-(.
Kreis der Komplimente
Meine Idee für den Abschluss war eigentlich das Kugellager der Komplimente. Das geht so: Die Schüler/innen stellen sich in einem Innen- und Außenkreis auf, jeder Schüler steht einem anderen gegenüber. Dann macht man verschiedene Übungen miteinander, z.B. sich begrüßen, sich gegenseitig schweigend in die Augen sehen, sich gegenseitig von wichtigen Personen im Leben erzählen usw. Nach jeder Übung rückt man eine, zwei oder drei Personen weiter und setzt die nächste Einheit dort fort.
Nach den Aufwärmübungen kommt dann der Punkt, wo es darum geht, dem Gegenüber ein Kompliment zu machen. Irgendetwas Nettes zu sagen. Und ich weiß noch, dass die Schüler/innen damals die Übung sehr schön fanden. Sie sagten, dass es doch relativ unüblich in Deutschland sei, sich nette Dinge zu sagen und wie angenehm das ist, wenn man gelobt wird, etwas Freundliches über sich zu hören bekommt.
Ich habe lange überlegt, wie ich den Effekt einer solchen Übung retten kann, wo ja der Kreis der Komplimente in Corona-Zeiten schlecht durchführbar ist. Die Schüler/innen sind nicht so diszipliniert, dass sie dauerhaft den Abstand einhalten oder Masken tragen - leider. Ein Teil meiner Zeit geht nur damit drauf, sie ständig daran zu erinnern.
Inspiration durch eine "alte" Lehrerinnengeschichte
Mir fiel dann irgendwann ein, dass ich diese Geschichte mal per Whatsapp zugesendet bekommen habe, wo es um eine Lehrerin geht, die ihre Schüler/innen bittet, das Netteste, was sie über ihre*n jeweilige*n Mitschüler*in sagen können auf ein Blatt zu schreiben. Die Schüler/innen freuen sich alle sehr über die Sammlung von Nettigkeiten, die sie auf diesem Weg über sich erhalten. Niemand weiß, wo die Geschichte herkommt, aber sie hält sich hartnäckig in den sozialen Medien.
Lösung: Briefe schreiben
Von dieser Geschichte inspiriert, holte ich mein altes Briefpapier aus der Schublade und schrieb auf einen Bogen jeweils einen Namen meiner Schüler/innen, also z.B. "Lieber Kevin!" oder "Liebe Rosalba!". In der Schule stimmte ich meine Schüler/innen ein bisschen ein und gab ihnen einige Hinweise zum Thema, was könnte ich Nettes über meinen Klassenkameraden schreiben. Das hört sich vielleicht komisch an, aber dem einen fließen die Worte nur so über die Lippen und der andere tut sich damit vielleicht etwas schwerer. Außerdem wollte ich gerne, dass jeder Schüler Nettigkeiten gesagt werden und nicht nur denen, die meist im Vordergrund waren während der drei Jahre.
Was soll ich bloß schreiben?
Ich habe mögliche freundliche (Eigenschafts-)Worte über eine Power Point Folie eingeblendet, um alle ein bisschen zu inspirieren.
Anregungen dazu habe ich mir hier geholt: Komplimente schenken für ein positives Klassenklima.
Es hat gut geklappt und ich glaube, die Schüler/innen hatten Spaß daran. In Abwandlung der Vorgehensweise in der Geschichte - meine Schüler/innen sind schließlich im Berufsschulalter - habe ich jedem Schüler zwei bis drei Briefe gegeben und wenn sie beschriftet waren, wurden sie weitergegeben. Ich regte auch dazu an, hier zu verewigen, falls man nach der Berufsschule noch weiteren Kontakt wünscht. Erst wurde die Briefschreiberei in Raum 1 und später dann in Raum 2 durchgeführt, die Klasse ist ja geteilt wegen Corona. Als jeder jedem etwas auf seinen Brief geschrieben hatte, war die Aufgabe erledigt.
Am Ende wurde der Brief in einen von mir vorbereiteten Umschlag gesteckt und konnte mitgenommen werden. Liegen blieb keiner.
Es war nicht aufwändig und ich freue mich, dass ich in dieser überraschend letzten Stunde meinen Schüler/innen noch etwas Nettes mitgeben konnte.
Haben Sie auch nette Ideen für den Abschied von einer Klasse? Dann immer heraus damit!
Für heute grüße ich Sie herzlich und bitte bleiben Sie gesund!
Ute Matthias
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