Wenn du die Situation nicht ändern kannst ...
Im Moment bin ich nicht besonders gerne in der Schule. Die Coronazahlen steigen und steigen, die Schulen bleiben offen. Keine kleinen Gruppen, nur ständig offene Fenster. Masken im Unterricht, die Schüler*innen sind für mich kaum zu verstehen, ich höre schon unter normalen Umständen nicht so gut. Es ist Stress pur. Am Montag habe ich acht Stunden mit ungeregelten Pausenzeiten, kaum Entspannung zwischendrin. Da ist man zu nicht mehr viel fähig, wenn man nach Hause kommt.
dann bleibt nur die Einstellung dazu!
An der Ausgangssituation können wir als Lehrer*innen nichts ändern, uns bleibt also nur übrig, unsere Einstellung dazu zu ändern. Ich lese daher gerade ein Buch von Rick Hanson mit dem Titel "Das resiliente Gehirn". Besonders angesprochen hat mich der Abschnitt "Finden Sie Zufluchten", denn das ist, was ich mir wünsche, wenn ich in dieser stressigen Zeit in der Schule bin. In den wenigen Augenblicken der Pause Zuflucht zu finden, auch Zuflucht zu finden, wenn die Situation in der Klasse turbulent wird oder einfach mal zwischendrin, wenn ich merke, der Stresspegel steigt.
Dabei geht es - natürlich - um Achtsamkeit.
Zufluchten finden
"Eine Zuflucht ist alles, was Sie beschützt, nährt oder aufbaut. Das Leben kann hart sein und jeder hat schwere unangenehme Erfahrungen. Wir alle brauchen Zufluchten. Welche haben Sie?" (S. 40)
Zufluchten können sein (S. 40/41, dem Sinn nach)
- Haustiere
- Andere Menschen
- Ein Lieblingscafé (okay entfällt gerade)
- Eine Kirche
- Eine Buchhandlung
- Ein Park
- Die Natur
- Ein Ort in der Natur (siehe oben)
- Eine Tasse Kaffee oder Tee
- Schokolade
- Lieblingsessen
- Ein kuschliger Pullover
- Ein gutes Buch
- Tätigkeiten wie malen, schreiben, stricken, sticken, schrauben, sägen, Musik machen oder hören
- Sport, Yoga, Meditation
- Erinnerungen an das Draußensein, an schöne Momente, an Reisen, an Verwandte, Freude, den Duft des Apfelkuchens von Oma
- Düfte (nichts erinnert das Gehirn so schnell an erinnernswerte Situationen wie etwas das wir riechen, z.B. der Duft von Orangen und Zimt an Weihnachten, der Duft von Salbei und anderen Kräutern an Urlaub am Mittelmeer, der Duft eines Parfums an eine bestimmte Person)
- Das Gefühl, wenn ein Kind oder Enkelkind auf Ihrem Schoß einschläft...
- Etwas Spirituelles, an das wir glauben
- Das Gute in Ihnen selbst, was immer es auch sein mag.
Fest einbauen
"Finden Sie im Laufe des Tages Zufluchten, wie etwa Zeiten für sich selbst bei der Morgendusche, die freundschaftliche Beziehung zu Menschen in der Arbeit, das Musikhören auf dem Heimweg oder Gedanken der Dankbarkeit beim Zubettgehen ..." (S. 41)
Als ich diese Seiten im Buch gelesen habe, ist mir klar geworden, dass ich bereits viele Zufluchten habe, mir aber nicht darüber im Klaren war, dass es Zufluchten sind.
Meine Zufluchten
Morgens, wenn ich aufstehe, mache ich mir aktuell immer eine besondere Tasse Kaffee, eine mit Vanillearoma. Ich habe mir diverse Nahrungsergänzungsmittel besorgt, mit denen ich meinen Körper versorge. Auf dem Weg zur Arbeit höre ich Radio, viel Musik und nur ein bisschen Nachrichten. Ich freue mich darauf, wenn ich losfahre. Auf dem Rückweg höre ich Hörbücher, die ich mir aus der Bücherei ausgeliehen und auf einen Stick gezogen habe. In der Schule nehme ich wahr, dass ich wirklich nette Kollegen/innen habe. In der Unterrichtsstunde sehe ich beim Fensteröffnen alle 20 Minuten aus dem Fenster, stelle mir meinen Lieblingsplatz in der Natur vor, atme die frische Luft. Das entspannt mich. Zuhause wartet ein gesundes leckeres Mittagessen auf mich, viel Gemüse und Vitamine, aber auch viel Geschmack. Dann habe ich Zeit für eine Stunde der Ruhe auf dem Sofa, mit dem Hund auf dem Bauch, sein flauschiges Fell kraulend. Wenn mein Schatz nach Hause kommt, dann macht er mir eine schöne Tasse Espresso, sodass ich nochmal Energie habe, die Vorbereitungen für die Schule am nächsten Tag zu treffen. Abends, wenn alles vorbereitet ist (auch das Outfit, sodass ich mich morgens nicht gestresst fühle), dann gönne ich mir meine Lieblingsserie. Aktuell gerade Wilsberg, nachdem ich entdeckt habe, dass in der ZDF-Mediathek eine Menge Folgen zu finden sind.
Und wenn ich meinen Tag mit diesem Fokus durchgehe, dann habe ich einen anderen Blick darauf. Dann sehe ich die positiven Dinge aufleuchten, dann finde ich Zuflucht auch in einer so schwierigen Zeit.
Ihre Zufluchten
Machen Sie doch mal ein kleines Brainstorming:
- Was sind Ihre Zufluchten?
- Wie können Sie diese bewusst in Ihren Tag einbauen?
- Welche haben Sie denn vielleicht bereits unbewusst oder bewusst eingebaut?
- Welche finden noch Platz darin?
"Wenn Sie eine Zuflucht finden, verlangsamen Sie. Werden Sie sich gewahr, wie sich diese Zuflucht anfühlt: Vielleicht als ein Gefühl der Entspannung, Beruhigung und Erleichterung? Bleiben Sie bei der Erfahrung für einen Atemzug oder länger. Bemerken Sie, was sich dabei gut anfühlt. Lassen Sie das Gefühl der Zuflucht in Sie einsinken, sich in Ihnen als etwas festsetzen, das Sie, wann immer Sie möchten, aufsuchen können." (S. 42)
Manchmal hilft ein Eintrag in den Kalender oder der Handywecker in die Achtsamkeit zu kommen. Finden Sie Ihren Weg!
In diesem Sinne, herzliche Grüße aus dem heute sonnigen und herbstlich bunten NRW
Ihre Ute Matthias
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Laura (Freitag, 13 November 2020 20:06)
Wow, ein super schöner Artikel! Ich finde die Idee eines Zufluchts sehr schön, ich denke für mich ist das vorallem: eine Runde Spazieren gehen am Morgen, eine leckerer Cappuchino mit Hafermilch bevor ich das Arbeits-Postfach öffne (und es dann explodieren sehen...) und die Arbeit für die Woche durchgehe, abends den Schreibtisch leeren, das Arbeitszimmer verlassen und die Tür schließen und was leckeres kochen um abschalten zu können. Danke♥️
Marianne (Sonntag, 15 November 2020 08:44)
Eine super Idee, diese Dinge Zuflucht zu nennen. Mit diesem Namen bekommen sie eine stärkere Bedeutung und man kann sie tatsächlich bewusster einbauen oder diejenigen geniessen, die man schon hat.
Für mich ist der Sonntag die Wochen - Zuflucht! Weniger Arbeit, mehr geniessen ...