· 

Soll ich Lehrerin werden? Eine Geschichte aus der Coachingpraxis

Soll ich Lehrerin werden? 

... das ist die Frage, die mir Frau Viguié (Name geändert) schon am Telefon stellt. 

 

Gute Frage. Aber das kann ich so am Telefon nicht beantworten. Genau genommen kann ich das gar nicht beantworten, sondern nur Frau Viguié selbst. Aber ich kann anbieten, dass wir uns zusammen auf den Weg machen, um das herauszufinden. 

 

"Sind Sie denn gerne Lehrerin?", fragt mich Frau Viguié gleich beim Hereinkommen.

 

"Ja, meistens schon", antworte ich. "Manchmal mehr und manchmal weniger, aber ja insgesamt schon. Manche Dinge in der Schule nerven mich trotzdem."

 

Ich glaube nicht, dass mein Erleben übertragbar ist und es ist ja auch ein himmelweiter Unterschied, ob man Lehrerin an einer Grundschule werden will, an einem Gymnasium oder an einem Berufskolleg.

 

Welche Vorstellungen haben Sie vom Lehrer*innen-Leben?

"Lassen Sie uns zunächst herausfinden, welche Vorstellungen Sie vom Lehrerinnen-Leben haben. Was bewegt Sie über diese Option nachzudenken?"

 

Aus unserem Vorgespräch weiß ich, dass Frau Viguié bisher in einer Marketingagentur arbeitet und die Arbeit als zunehmend sinnlos wahrnimmt und sich davon sehr gestresst gefühlt hat. Das Wochenende scheint nicht mehr auszureichen, um sich zu erholen. Außerdem leidet sie unter der Entgrenzung der Arbeit, das Telefon und die Emailflut scheinen nicht mehr stillzustehen. 

 

"Ich stelle es mir schön vor, jungen Menschen etwas über das Thema Wirtschaft beizubringen. Man liest ja auch immer wieder, dass mehr Lehrer*innen benötigt werden und man daher gute Chancen hat. Ich habe in meiner Agentur mehrere Azubis betreut und angeleitet und habe gemerkt, dass ich ein Händchen dafür habe, Menschen etwas zu erklären. Die Azubis haben mir auch die Rückmeldung gegeben, dass sie meine Erklärungen gut verstanden haben und gerne mit mir als Ausbildungsbeauftragte zusammengearbeitet haben."

 

Wirtschaft ist Pflichtfach

"Aus dem, was Sie erzählen, höre ich heraus, dass Sie gerne an einer Schule arbeiten wollen, wo Wirtschaft unterrichtet wird. Da haben Sie ja Glück: Das Fach Wirtschaft wird seit dem Schuljahr 2020/2021 an allen weiterführenden Schulen auch als Pflichtfach unterrichtet."

 

"Da ich selbst im Marketingbereich meine Ausbildung absolviert habe und erst später studiert habe, dachte ich an ein Berufskolleg im Bereich Wirtschaft und Verwaltung. daher bin ich auch zu Ihnen gekommen. Ich dachte, Sie könnten mir ein bisschen aus Ihrem beruflichen Alltag erzählen. So wollte ich herausfinden, ob er auch zu mir passen würde. Was glauben Sie denn, welche Fähigkeiten man mitbringen muss?"

 

Ich lächle. "Was glauben Sie?"

 

Anforderungsprofil für Lehrer*innen

"Ich denke, man muss junge Menschen mögen, ein Interesse an ihnen haben. Lust haben, mit ihnen zusammenzuarbeiten, sie zu fördern. Man muss damit klar kommen, dass es eine Menge Verwaltungsvorschriften gibt, die man befolgen muss, schließlich ist es eine Behörde. Unterricht entwickelt sich ständig weiter, Wirtschaft ist ebenfalls nicht statisch: Man braucht also wohl auch die Bereitschaft, sein Material weiterzuentwickeln, wie auch sich selbst."

 

Sie denkt eine Weile nach und ich überlasse sie ihren Gedanken.

 

"Man braucht natürlich auch Handwerkszeug wie Methoden für den Unterricht oder Umgang mit störenden Schüler*innen. Aber ich denke, das wird im Pädagogischen Seminar vermittelt. Und natürlich Fachkompetenz, aber die bringe ich ja aufgrund meines Wirtschaftsstudiums und der Arbeit in der Agentur mit. Und man muss wissen, wie man so einen Unterricht grundsätzlich aufbaut. Also: Wo anfangen und wo aufhören."

 

Ich notiere am Flipchart:

  • Interesse an jungen Menschen
  • Lust zur Zusammenarbeit und Förderung
  • Verwaltungsvorschriften
  • Weiterentwicklung des Unterrichts
  • Fortbildung der eigenen Person
  • Methoden für den Unterricht kennen
  • Umgang mit störenden Schüler*innen
  • Fachkompetenz
  • Unterrichtsphasen kennen

 

... und das Eignungsprofil der Klientin

"Wenn wir davon ausgehen, dass das nun das Anforderungsprofil der Stelle ist. Welche Stärken bringen Sie mir, um dieses Anforderungsprofil zu bedienen?" frage ich Frau Viguié.

 

Ich breite meine Bildkartenpallette vor Frau Viguié aus, denn ich weiß, dass man viele Stärken bei sich selbst mit einer bildlichen Impression besser findet.

 

Frau Viguié bleibt eine Weile stehen und betrachtet die Bilder ruhig. Dann wählt sie nach und nach das eine und das andere aus, bis sie acht Karten in der Hand hält. Ich bitte sie, mir zu erklären, was sie mit diesen Karten verbindet und welche Stärken sie dabei bei sich wahrnimmt. 

  • Eine Sonne: Ich habe ein sonniges Gemüt und komme in der Regel auch mit Situationen, die schwierig sind, gut zurecht. 
  • Ein Clown: Ich kann mich auch mal zum Clown machen, albern sein, habe Humor. Kann mit anderen über mich lachen. 
  • Unterschiedlich farbige Holzfiguren, durcheinander: Ich kann Individualität bei anderen sehen und stehen lassen. 
  • Fallschirmsprung: Ich bin mutig, wage gerne Neues, kann mich auch auf Unvorhersehbares einlassen. 
  • Katze: Ich bin selbst Individualistin und kann damit klar kommen alleine auf mich gestellt zu sein. 
  • Haustüren: Ich habe die Fähigkeit Zugang zu anderen Menschen zu finden, kann verschiedene Schlüssel ausprobieren. 
  • Ein Hahn: Ich kann auch mal laut krähen, wenn es darauf ankommt (sie lacht).
  • Fahrräder mit Isomatten und Zelt: Ich mache gerne Ausflüge, kann auch mal ganz bescheiden im Zelt schlafen, passe mich gut den Gegebenheiten an.

Nun stellen wir beides gegenüber: Die Anforderungen und die Stärken:

 

Anforderungsprofil

  • Interesse an jungen Menschen
  • Lust zur Zusammenarbeit und Förderung
  • Verwaltungsvorschriften
  • Weiterentwicklung des Unterrichts
  • Fortbildung der eigenen Person
  • Methoden für den Unterricht kennen
  • Umgang mit störenden Schüler*innen
  • Fachkompetenz
  • Unterrichtsphasen kennen

Fähigkeiten

  • Sonniges Gemüt
  • Humor, albern sein
  • Individualität stehen lassen können
  • Mut
  • Komme alleine gut klar
  • Finde Zugang zu anderen Menschen
  • Kann mich behaupten
  • bin anpassungsfähig, auch in herausfordernden Situationen

"Wie passt das zusammen?" frage ich Frau Viguié?

 

"Ich denke, mein sonniges Gemüt und mein Humor werden mir helfen, gut mit den Schüler*innen zusammenzuarbeiten und auch in störenden Situationen einen Ausweg zu finden. Ich kann die Individualität der Schüler*innen sehen und habe auch die Bereitschaft darauf einzugehen. Auf der persönlichen Ebene habe ich viele Stärken, die gut zu meinen Vorstellungen von "eine gute Lehrerin" zu sein passen. Ob das nur in meiner Vorstellung so ist, oder auch in der Wirklichkeit, weiß ich natürlich noch nicht.

 

Aber mit meinem Mut und meiner Neugier auf Neues, kann ich es gut ausprobieren. Ich bin sicher, dass ich auch in schwierigen Situationen mit den Schüler*innen "krähen" und mich durchsetzen kann. Sollte es doch einmal zu herausfordernd sein, hilft mir meine Anpassungsfähigkeit auch mit einer solchen Situation zurechtzukommen und geschmeidig zu sein. 

 

Und wie sieht mein Arbeitsalltag aus?

Ja, ich denke tatsächlich, dass ich einige Fähigkeiten für diesen Beruf habe und auch Lust, es auszuprobieren. Was mir jetzt aber noch fehlt: Ich wollte ja gerne von Ihnen wissen, wie ihr Arbeitsalltag wirklich aussieht. Verraten Sie mir das noch?"

 

... Ja, liebe Leserinnen und Leser, das habe ich natürlich gemacht. Davon schreibe ich dann im nächsten Beitrag.

 

Weiterführende Informationen für Quereinsteiger gibt es hier:

 

https://www.lehrer-werden.nrw/was-bringst-du-mit/seiteneinstieg

Und nun wünsche ich ein schönes sonniges Wochenende!

Ihre Ute Matthias

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0